Henning von Stechow und Katharina Beyer sind mit dem Prokon-Journal zum Interview verabredet. Beim Spaziergang entwickelt sich dann aber eher ein Dialog zwischen den beiden Prokon-Vorständen – über Mitgliederbeteiligung, politische Rahmenbedingungen und den Mehrwert von Prokon als Arbeitgeber.
Henning von Stechow (HvS): In Deutschland hat eine Genossenschaft klassischerweise zwei Vorstände. Natürlich haben wir uns die Aufgabenfelder aufgeteilt, aber die Gesamtverantwortung tragen immer beide Vorstände zusammen – wir tauschen uns daher regelmäßig aus und entscheiden auch gemeinsam.
HvS: Ich kümmere mich um die Finanzen, um Service und Betrieb der Windenergieanlagen, um die Unternehmensentwicklung, den Energiehandel, die Stromvermarktung und um unsere Auslandsbeteiligungen.
Katharina Beyer (KB): Meine Ressorts sind die Projektentwicklung – also vom Sichern der Flächen über die Genehmigungen und den Bau bis zur Inbetriebnahme –, die Mitgliederbetreuung, Personal und IT mit besonderem Schwerpunkt auf dem Thema Digitalisierung, Prozessmanagement und unsere Nachhaltigkeitsstrategie – inklusive des Nachhaltigkeitsberichts, den wir künftig erstellen werden.
KB: Ich habe überlegt, ob „Traumjob“ ein zu großes Wort ist: aber ja, es passt einfach so vieles. Ich habe mich eigentlich schon immer mehr im Mittelstand gesehen und freue mich, nicht mehr in einer Konzernstruktur zu arbeiten. Ich bin begeistert von dem Team, das ich hier vorfinden durfte: das Know-how, die Erfahrung, die Professionalität, das Miteinander. Man spürt eine ganz andere Energie: Hier haben alle Lust, gemeinsam an einem Strang zu ziehen und die Mission grüne Bürgerenergie voranzubringen.
Insgesamt ist das Arbeiten agiler, weil es nicht 1000 Gremien gibt und man sich wirksam einbringen kann. Aber natürlich ist die Gesellschaftsstruktur Genossenschaft für mich neu und insofern noch ein Lernfeld.
HvS: Aus meiner Sicht ist die Rechtsform der Genossenschaft das ideale Modell für die Idee hinter Prokon. Schließlich geht es darum, die Energieerzeugung einer ganzen Volkswirtschaft zu transformieren. Da ist das genossenschaftliche Partizipationsangebot ein wichtiger Baustein, um Akzeptanz zu schaffen.
Katharina Beyer ist seit dem 1. Januar 2024 Vorständin der Prokon eG.
Sie wechselte von Statkraft Erneuerbare zur Prokon-Genossenschaft. Dort verantwortete sie den Bereich Wind Asset Management Deutschland. Zuvor hat sie in führenden Positionen bei Siemens Wind Power und Thyssenkrupp Industrial Solutions gearbeitet.
Katharina Beyer, Vorständin
HvS: Das Genossenschaftsgesetz hat das eigentlich sehr klug geregelt: Das Auskunftsbegehren der Mitglieder beschränkt sich im Prinzip auf die Generalversammlung, das heißt, es kann nicht jedes Mitglied quasi tagesaktuell Infos vom Vorstand verlangen. Wir verfolgen aber grundsätzlich einen sehr partizipativen Ansatz und bemühen uns darum, die Mitglieder über die gesetzliche Verpflichtung hinaus sehr regelmäßig über verschiedene Kanäle (Newsletter, Prokon-Journal etc.) zu informieren.
KB: Dazu gehört beispielsweise auch, dass wir drei- bis viermal im Jahr den Prokon-Dialog anbieten, bei dem sich alle Mitglieder einwählen können. Dabei haben alle die Chance, mit uns direkt in Kontakt zu kommen und Fragen zu bestimmten Themen zu stellen. Wir bekommen auf diese Weise viele Ideen von Mitgliedern. Auch den regionalen Beiräten kommt als Bindeglied zwischen der Genossenschaft und den Mitgliedern eine wichtige Rolle zu. Erklären, wer wir sind und was wir wollen: Je mehr Menschen das verstehen, umso höher die Akzeptanz auch bei den Bürgern. Die Multiplikator-Wirkung wollen wir noch stärken.
HvS: In puncto Akzeptanz beobachten wir seit einigen Jahren eine Wellenbewegung, die auch von den politischen Rahmenbedingungen abhängig ist. Aktuelle Umfragen belegen leider, dass die Akzeptanz der Energiewende vor Ort wieder etwas nachgelassen hat.
KB: Die Denke „Im Prinzip gut, aber bitte nicht vor meiner Haustür“ ist nicht nur bei diesem Thema weit verbreitet.
HvS: Umso wichtiger ist es, die Menschen rechtzeitig an den Entscheidungsprozessen und dann auch ökonomisch zu beteiligen. Eine Energiegenossenschaft wie Prokon ist da die perfekte Antwort.
KB: Das bestätigen auch meine bisherigen Erfahrungen: Es kommt bei den Leuten gut an, dass wir genossenschaftlich ticken. Übrigens auch bei den Flächeneigentümern, die für uns ja ganz wichtige Partner sind. Der Wettbewerb um Flächen ist intensiv, aber der Prokon-Weg – also nicht auf kurzfristige Profite zu schielen, sondern die gesamte Wertschöpfungskette abzubilden und die Parks nicht nur zu projektieren, sondern auch zu behalten und zu betreiben – ist da ein echtes Pfund.
Dr. Henning von Stechow ist seit 2016 Vorstand bei Prokon und seit 2021 Vorstandsvorsitzender.
Der promovierte Jurist absolvierte vor seinem Studium eine Bankausbildung mit Schwerpunkt Unternehmensfinanzierung. Vor Prokon war er geschäftsführend bei einem mittelständischen Energiehändler tätig; davor betreute er in einer genossenschaftlichen Bankengruppe internationale Kunden aus der Energiewirtschaft.
Dr. Henning von Stechow, Vorstandsvorsitzender
HvS: Insgesamt sind die Herausforderungen weiterhin groß. Wir sind ja nicht nur mit den Ansprüchen der Flächeneigentümer konfrontiert. Der Netzausbau kommt nicht schnell genug voran – ein Thema von herausragender Bedeutung. Da brauchen wir mehr Fokus und Speed. Beides droht derzeit leider verloren zu gehen, da die Bundesregierung Nebenkriegsschauplätzen wie z. B. Carbon Capture and Storage (CCS) zu viel Aufmerksamkeit schenkt. Wir stehen mit voller Energie für den Ausbau der Erneuerbaren. Ob neue Windparks oder Repowering-Projekte mit deutlich leistungsfähigeren Anlagen: Wir halten unser Ziel, bis 2030 die Menge des in unseren eigenen Anlagen erzeugten Stroms zu verdoppeln, nach wie vor für realistisch.
KB: Dafür brauchen wir aber auch weiter die volle Rückendeckung durch unsere Mitglieder. Die war im vergangenen Jahr stark: Wir konnten knapp 25 Millionen Euro frisches Kapital einwerben. Die Summe kam in erster Linie dadurch zustande, dass bestehende Mitglieder ihre Geschäftsanteile erhöht haben – ein enormer Vertrauensbeweis gegenüber der Genossenschaft. Künftig wird es verstärkt darum gehen, noch mehr Menschen davon zu überzeugen, sich als Mitglieder bei Prokon zu engagieren. Dafür wollen wir häufiger als bisher rausgehen, um die Menschen mit unserer Begeisterung für Erneuerbare Energien und den besonderen Prokon-Weg anzustecken. Ein Beispiel dafür sind Windparkfeste, von denen es in diesem Jahr zwei geben soll.
HvS: Wir wollen unsere Attraktivität für potenzielle neue Mitglieder, aber auch für potenzielle neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigen. Der jungen Generation sagt man ja nach, dass sie besonders daran interessiert ist, Karriere mit Sinn zu verknüpfen. Mehr „Purpose“ als bei Prokon kann man kaum irgendwo finden: gemeinsam die Energiewende gestalten, mit der spürbar höheren Kollegialität, wie sie eine Genossenschaft bietet. Denn anders als bei Konzernen gibt es bei Prokon keinen Gegensatz zwischen Mitarbeitern und Anteilseignern, weil die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst Mitglied sein und mitreden können. Klar: Wir müssen wie jedes andere Unternehmen wirtschaftlich arbeiten. Aber genauso wichtig ist das gemeinsame Ziel, die Energiewende voranzubringen – da ist für Gier und Egoismus kein Platz.
KB: Unser Projekt „New Work“ dient dazu, neu auszubalancieren, wie Zusammenarbeit in der heutigen Welt zwischen Präsenz und digital am besten funktioniert. Mindestens zwei Tage pro Woche in Präsenz sind für uns die Basis für Teamgeist; die Kombination mit Home Office ist für uns wichtig, um erfahrene Kolleginnen und Kollegen zu halten, aber auch neue Talente und auch Quereinsteiger zu gewinnen und damit unser Wachstum zu steuern.
HvS: Stichwort Wachstum: 2022 war für Prokon ein hervorragendes Jahr – übrigens auch im Vergleich zu unseren „konventionellen“ Wettbewerbern. Das Ergebnis dokumentiert eindrucksvoll, wie erfolgreich eine Genossenschaft arbeiten kann. Wir sind jetzt im „New normal“, aber unsere Ziele sind klar: Wir wollen dynamisch wachsen und die Energiewende als wichtiger Player mitgestalten. Dabei liegt der Fokus auf unserem Kerngeschäft Onshore-Windenergie in Deutschland. Unsere Diversifizierung mit den erfolgreichen Auslandstöchtern und der starken Service-Sparte sichert das gegen Marktrisiken ab. Unsere Aufgabe ist es, das Kapital, das uns unsere Mitglieder anvertrauen, sinnvoll einzusetzen.
KB: Wir wollen Prokon weiterentwickeln und gleichzeitig seine Stärken als partizipatives, bürgernahes Unternehmen bewahren. Dazu gehört auch der Ehrgeiz, dass möglichst alle Mitglieder ihren grünen Strom von Prokon beziehen. Bei Prokon sein: Das soll sich für Mitarbeitende, Mitglieder, aber auch für Kundinnen und Kunden lohnen und sie stolz machen.