Damit die Energiewende gelingt, müssen die Netze zur Stromübertragung massiv ausgebaut werden – das ist auch für das Wachstum von Prokon enorm wichtig.
Ein Meilenstein: Die Bundesnetzagentur hat ihren neuen Fahrplan für den Ausbau des Strom-Übertragungsnetzes vorgelegt. Demnach sind an Land unter anderem fünf neue sogenannte Stromautobahnen geplant, also Hochspannungs-Gleichstromverbindungen mit einer Kapazität von jeweils zwei Gigawatt. Drei davon sollen in Nord-Süd-Richtung verlaufen und zwei in Ost-West-Richtung. Vorgesehen sind zudem weitere Leitungen zur Anbindung von Windparks auf See.
Ziel ist, klimaneutral erzeugten Strom überall dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird – vor allem vom stromreichen Norden in den Süden. Laut Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, zeige der Netzentwicklungsplan erstmals, welches Stromnetz Deutschland brauche, um die Energiewende zu vollenden. Dem Plan war ein monatelanges Verfahren vorangegangen, in dem alle Interessengruppen und die Öffentlichkeit die Gelegenheit hatten, Stellung zu beziehen. Müller sagte, alle von den vier Übertragungsnetzbetreibern vorgeschlagenen Projekte seien sorgfältig geprüft worden. Der Netzentwicklungsplan definiert noch nicht den exakten Verlauf, sondern lediglich die Anfangs- und Endpunkte der Leitungen.
Wasser in den Wein goss allerdings sogleich der Bundesrechnungshof. „Die Bundesregierung ist im Verzug beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze sowie beim Aufbau von Backup-Kapazitäten“, kritisiert dessen Präsident Kay Scheller.
Laut einer aktuellen Studie hinke der Netzausbau den Plänen um sieben Jahre hinterher, mit dem der Windstrom vor allem von Nord nach Süd gebracht werden müsse. Das geschehe vor dem Hintergrund eines bis 2030 um etwa ein Drittel steigenden Strombedarfs.
Doch nicht nur an den großen 220- und 380-kV-Trassen, sondern auch bei der Anbindung ans 110-kV-Netz hapert es vielfach. „Es war lange eine Selbstverständlichkeit, dass die Netzbetreiber einem Wind- oder PV-Park einen Netzanschluss zuweisen und die Energiemengen abnehmen konnten“, berichtet Prokon-Vorstand Henning von Stechow. „Doch nun zeigt sich deutlich, dass Ausbau der Erzeugung und Ausbau der Netze nicht parallel erfolgen.“ Für von Stechow ist der Netzausbau deshalb „eines der ganz großen Themen der nächsten Jahre“.
Zwei aktuelle Beispiele von Prokon unterstreichen die Dramatik der Situation:
Im Rahmen eines Repowering-Projekts werden im ältesten Prokon-Windpark im schleswig-holsteinischen Horst acht Anlagen mit insgesamt 10,4 MW durch vier leistungsstärkere Turbinen mit 28 MW ersetzt. Das Problem: Der Netzbetreiber lässt nur eine Einspeisekapazität von 22 MW zu. Ein Netzausbau soll erst bis 2032 erfolgen. Eine Lösung könnte hier der Bau eines Prokon-eigenen Umspannwerks sein (S. 20). Das ist aber mit erheblichen Mehrkosten verbunden und würde die Wirtschaftlichkeit des Parks beeinträchtigen.
Im Windpark Quarnstedt-Störkathen wurde die Repowering-Genehmigung in rekordverdächtigen sieben Monaten erteilt. Die vier neuen Turbinen kommen ebenfalls auf 28 MW und ersetzen neun ältere mit gerade mal 11,7 MW. Die 110-kV-Trasse des Netzbetreibers soll frühestens Mitte 2027 fertig sein. Bis dahin kann das Netz nur rund 14 MW abnehmen. „Möglicherweise müssen wir den neuen Windpark drosseln und nur mit halber Leistung einspeisen“, sagt von Stechow.
Auch in Sachen Planungssicherheit steht es nicht zum Besten: So musste Prokon bei seinem ersten Photovoltaik-Freiflächenprojekt in Walshausen erleben, dass der Netzbetreiber kurz vor Baubeginn den Netzanschlusspunkt änderte. Die Folge: Prokon muss nun eine 12,5 Kilometer lange Trasse an den neuen Anschlusspunkt planen und bauen. Bis dahin speist der Park keinen Strom ins Netz ein – das besonders innovative Projekt mit Batteriespeicher steht zunächst auf „hold“.
Für Stromproduzenten ist es mehr als misslich, dass sie Zusagen der Netzbetreiber zur Leistungsfähigkeit und Entfernung der Netzanschlusspunkte in der Regel erst nach Erhalt der Baugenehmigung bzw. der Genehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) erhalten. „Da sind bereits umfangreiche Planungen, Gutachten und Genehmigungsprozesse mit entsprechenden Kosten erfolgt – und eine Verschiebung des Baus kommt kaum noch infrage“, erklärt von Stechow.
Um das ehrgeizige Ziel einer Verdoppelung der erzeugten Energiemenge aus eigenen Anlagen zu erreichen, muss sich Prokon auf leistungsstarke und flexible Partner im Netzbereich verlassen können. Die Energiegenossenschaft schließt sich deshalb dem Appell von Branchenexperten wie etwa dem des Bundesverbands WindEnergie (BWE) an, den Netzausbau und den Ausbau der Erneuerbaren zu synchronisieren, Planungs- und Genehmigungsprozesse an der verbindlichen Netzanschluss-Zusage auszurichten sowie den Ausbau von Speichern zu forcieren. „Der Netzausbau braucht unbedingt Priorität auf der volkswirtschaftlichen und energiepolitischen Agenda“, fordert von Stechow. Nur so könne die Energiewende gelingen, für die sich Prokon und seine Mitglieder nachhaltig und erfolgreich engagieren.
Das Unternehmen 50Hertz Transmission GmbH betreibt das Höchstspannungs-Stromnetz (220 kV und 380 kV) im Osten Deutschlands einschließlich Berlin sowie im Raum Hamburg mit einer Stromkreislänge von rund 10.500 km.
Die Tennet TSO GmbH mit Sitz in Bayreuth betreibt in Deutschland ein Höchstspannungs-Stromnetz (220 kV und 380 kV) zwischen Schleswig-Holstein und Bayern mit einer Gesamtlänge von rund 13.559 km.
Die Amprion GmbH mit Sitz in Dortmund betreibt das mit knapp 11.000 km Stromkreislänge zweitgrößte Höchstspannungs-stromnetz (220 kV und 380 kV) in Deutschland.
Die TransnetBW GmbH ist in Baden-Württemberg aktiv und kommt auf 220- und 380-kV-Stromkreise mit 3.111 km Länge.
Geplant sind fünf neue Hochspannungs-Übertragungs-Verbindungen mit jeweils zwei GW Kapazität (gestrichelt).
DC32 von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern
DC35 von Niedersachsen nach Hessen
DC40 von Niedersachsen nach Sachsen
DC41 von Niedersachsen nach Baden-Württemberg
DC42 von Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg
Die genauen Verläufe der geplanten Verbindungen sind noch nicht festgelegt.
Man teilt die Stromnetze anhand der unterschiedlichen Nennspannungen in mehrere Spannungsebenen ein. Diese sind vielfach miteinander gekoppelt, meist über Transformatoren.
Übertragungsnetze ermöglichen einen deutschlandweiten und grenzüberschreitenden Transport von Strom über große Entfernungen – möglichst verlustarm und direkt dorthin, wo der Strom verbraucht wird. Über sogenannte Kuppelleitungen ist das deutsche Höchstspannungsnetz an das europäische Verbundnetz angeschlossen. Übertragen wird bei Drehstrom (Wechselstrom) mit maximal 220 Kilovolt (kV) oder 380 kV, bei den geplanten neuen Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen mit bis zu 525 kV.
Das Hochspannungsnetz ist die Verbindung zum Höchstspannungsnetz (Umspannwerke). Mit Hochspannungsnetzen wird der Strom grob zu Ballungszentren oder auch direkt an große Industriebetriebe verteilt. Über das typische 110-kV-Netz sind auch Windparks angeschlossen.
Das Mittelspannungsnetz verteilt den Strom an regionale Transformatorenstationen oder direkt an größere Einrichtungen wie beispielsweise Krankenhäuser oder Fabriken.
Das Niederspannungsnetz dient der Feinverteilung. An das Niederspannungsnetz sind private Haushalte, kleinere Industriebetriebe, Gewerbe und Verwaltung angeschlossen.