Hans-Josef Fell hat ein Lebensthema: Der Autor des ersten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist als „Botschafter für 100 % Erneuerbare Energien“ aktiv – und passt so bestens zur Prokon-Philosophie.
Er hat schon eine Menge geschafft, aber fertig ist er noch lange nicht: Hans-Josef Fell ist einer der Architekten der Energiewende in Deutschland. Unter anderem mit dem – 2010 verstorbenen – Sozialdemokraten Herrmann Scheer war er im Jahr 2000 maßgeblich am Entwurf des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) beteiligt: das wohl erfolgreichste Gesetz für Klimaschutz, das anschließend von zahlreichen Ländern kopiert wurde. „Als wir das umgesetzt haben, haben die großen Energiekonzerne getönt, ein Anteil von mehr als vier Prozent Ökostrom sei technisch unmöglich.“ Zur Einordnung: In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 kamen hierzulande knapp 60 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren Energien. Dass es nicht noch mehr sind, führt Fell auf zahlreiche Novellen des Gesetzes zurück – forciert von der Fossil-Lobby und ihren politischen Helferinnen und Helfern. „Wenn wir den Pfad des EEG 2000 oder seines Nachfolgers von 2004 konsequent weiter beschritten hätten, wären wir heute bei 100 Prozent Ökostrom“, sagt Fell. Bis 2012 habe es bei Wind- und Solarenergie ein exponentielles Wachstum in Deutschland gegeben, danach sei der Druck auf die Erneuerbaren gestiegen. So sei der Zubau an Sonnenenergie von sieben Gigawatt (GW) 2012 auf ein GW im Jahr 2014 eingebrochen – mit katastrophalen Auswirkungen auf die heimische Solarbranche.
Davor hatte bereits Ende 2010 die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke die – falsche – Richtung vorgegeben. Fell ist überzeugt: Die energieintensive Industrie und die Konzerne, die mit Kohle, Gas und Kernenergie ihr Geld verdienen, spielen nach wie vor ihre Macht aus – und die Branche der Erneuerbaren Energien setzt ihnen zu wenig entgegen: „Wir brauchen endlich eine wirksame Kampagne gegen das Erneuerbare-Energien-Bashing." Fake News der Fossil-Freunde sind es, die Fell noch heute mächtig in Rage bringen können. Der immer wieder ins Feld geführten unüberwindbaren „Dunkel-Flaute“, also den Phasen, in denen die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, lässt sich mit intelligenter Steuerung und moderner Speichertechnologie begegnen. Der Einsatz von Biogas, Wasserkraft und Geothermie hilft mit, dass wir auch in Deutschland 100 Prozent Erneuerbare Energien zu jeder Stunde des Jahres schaffen können. Zeigen, was geht: In seiner Heimat Hammelburg in der bayrischen Rhön hat Fell 1993 die weltweit erste Solarenergie-Gemeinschaft gegründet. Bis heute sieht er in Bürgerbeteiligung und dezentralen Projekten zur Stromerzeugung einen Schlüssel für den Erfolg der Erneuerbaren – so lassen sich die privaten Investitionen mobilisieren, die für den Siegeszug der Erneuerbaren wichtig sind. Im Großen macht das eine Energiegenossenschaft wie Prokon mit ihren 40.000 Mitgliedern vor. Aber auch im Kleinen gibt es die Chance umzusteuern, wie Fells Beispiel zeigt: Er hat mit seiner Frau schon Mitte der 1980er-Jahre ein Holzhaus mit Grasdach gebaut, das konsequent auf Klimaschutz ausgerichtet ist und zu 100 Prozent mit Erneuerbaren Energien versorgt wird. Seit Ende 2020 funktioniert das sogar völlig autark und ohne Anschluss an das Stromnetz. Klar, dass die beiden Kleinwagen vor der Tür mit Ökostrom aus der Photovoltaikanlage und dem Pflanzenöl-BHKW laufen.
Auch mit 72 wirbt Fell unermüdlich für seine Mission – bei Veranstaltungen, auf Social Media, aber auch in anderen Ländern. Dutzende Staaten haben das Konzept des deutschen EEG erfolgreich kopiert – und insbesondere in China sieht Fell enorme Fortschritte: „Die kriegen alle zwei Jahre eine Verdoppelung der neu installierten Leistung hin.“ Dort ist er als Berater schon viele Male hingereist und wird demnächst wieder hochrangige Regierungsvertreter treffen. Und in Deutschland? Hier wünscht Fell sich deutlich mehr Tempo. Der Start der Ampel-Regierung sei vielversprechend gewesen und Klimaschutz-Minister Robert Habeck habe einiges auf den Weg gebracht, um den Erneuerbaren den nötigen Rückenwind zu verschaffen: „Die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren wird sich in den nächsten ein, zwei Jahren auswirken“, sagt Fell. Aber schon drohen wieder Rückschläge. So bewertet Fell aktuell Pläne kritisch, wie sie in der Ampel-Regierung kursieren: „Da scheinen sich Kräfte durchzusetzen, die die Erneuerbaren Energien abwürgen wollen“, urteilt der Experte.
Ein Papier im Rahmen der „Wachstumsinitiative“ sieht vor, mit dem Auslaufen der Kohleverstromung die Einspeisevergütung abzuschaffen und durch eine Investitionsförderung zu ersetzen. „Alle Erfahrungen – etwa in Österreich, aber auch bei uns – zeigen, dass dafür vorgesehene Budgets schnell aufgebraucht sind. Und ab dann herrscht Stillstand.“ Den aber könnten wir uns mit Blick auf den Klimawandel nun überhaupt nicht leisten. Auch die Börsenvermarktung habe sich letztlich als komplizierter Irrweg erwiesen. „Dass der Strompreis negativ wird, wenn es viel billige Wind- und Solarenergie gibt und in der Folge die EEG-Umlage steigt, hätte man längst korrigieren müssen.“ Außerdem hätten Hemmnisse, wie die Umstellung auf Ausschreibungen statt fester Einspeisevergütungen, gerade die Aktivität bürgerlicher Akteure gebremst. Die feste Einspeisevergütung müsse vor allem für kleinere Projekte zurückkommen, um Investitionen kalkulierbar zu machen. Fell plädiert außerdem für eine feste Kombikraftwerksvergütung für jeden Investor, der eine systemdienliche Investition im Bereich erneuerbare Energien macht. Dazu gehören Sonne und Wind, die den Löwenanteil liefern, aber auch Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie, um die Schwankungen der Solar- und Windenergie teilweise auszugleichen. Zusätzlich müssten Speicher gebaut werden. „Gleichzeitig kommen wir endlich in die Sektorenkopplung, das heißt der Ökostrom fließt in die Elektromobilität, die Industrie und heizt über Wärmepumpen die Haushalte“, so Fell. Finanziert würde das über die EEG-Umlage, die nach Berechnungen des Think Tanks Energy Watch Group kaum steigen müsste. Der Clou: Auch Anlagen, die nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, ließen sich so weiterbetreiben. Das Erfolgskonzept des EEG 2000 – in die Zukunft gedacht. „Wenn das kommt, könnten wir bis 2030 das Ziel 100 Prozent Erneuerbare Energien verwirklichen.“ Ob die Politik da mitzieht? Fell jedenfalls bleibt an dem Thema dran.
geboren 1952 in Hammelburg (Unterfranken)
Tätigkeit als Gymnasiallehrer (Physik und Sport)
1990 bis 2003 Stadt- /Kreisrat Â
1998 bis 2013 Abgeordneter des Deutschen Bundestages (Bündnis 90/Grüne), forschungspolitischer Sprecher (bis                2002), energiepolitischer Sprecher (ab 2005)
2005 bis 2011 Vizepräsident von Eurosolar
2006 Gründer und seit 2014 Vorsitzender der Energy Watch Group Â
2015 Bundesverdienstkreuz
2018 Lui-Che-Woo-Preis für Nachhaltigkeit
2024 Global Solar Leaders Award
Hans-Josef Fell - Botschafter für 100% Erneuerbare Energien