Ein hoher Zaun mit dem Warnschild „Hochspannung, Lebensgefahr!“. Dahinter erstrecken sich Masten, Leitungen und Transformatoren, so weit das Auge reicht. Landauf, landab gibt es solche Umspannwerke. Hier laufen Stromleitungen aus unterschiedlichen Erzeugerquellen zusammen, werden auf 110 Kilovolt Einheitsspannung transformiert und ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Dabei geht es um einfache Physik: Je höher die Spannung, desto geringer die Verluste bei der Durchleitung – und umso länger die Stromtrassen. Müssen also auch die Windparks von Prokon an ein Umspannwerk andocken? Die Antwort lautet: Nicht immer – aber immer öfter. „In den älteren Anlagen wird der Strom meist über eine kleine Übergabestation ins Mittelspannungsnetz eingeleitet“, erklärt Elektroingenieur Hauke Henningsen, der bei Prokon für Netzanschlüsse und Datenübertragung verantwortlich ist.
Das Mittelspannungsnetz schafft maximal 15 Megawatt Leistung. Bei den heutigen Windparkprojekten mit deutlich gestiegenen Nennleistungen wird dieser Grenzwert jedoch schnell überstiegen. „Dann muss die Anlage an ein Umspannwerk angeschlossen werden“, erklärt Henningsen. So auch im Brandenburgischen Friedersdorf. Prokon hat hier die Genehmigung für den Bau von vier Windenergieanlagen (WEA) erhalten, die auf eine Gesamtleistung von 22 Megawatt (4 x 5,5 MW) kommen.
Zum Windpark, der im Frühjahr 2025 in Betrieb gehen soll, gehört auch ein neues Umspannwerk mit einer Kapazität von 63 Megavoltampere, sprich 63 Megawatt. Die zusätzlichen Reserven sind notwendig: Ganz in der Nähe, am Standort Podelzig-Lebus, ist – unter Federführung von Prokon – ein Repowering-Projekt mit sechs Nordex-Anlagen à 7 MW geplant. Beim Repowering werden alte WEA durch neue, leistungsfähigere ausgetauscht. In diesem Fall weichen 14 Anlagen vom Typ AN Bonus.
„Die Umspannwerke der Netzbetreiber verfügen kaum noch über freie Kapazitäten. Deshalb müssen wir die Anlagen selbst bauen.“
Hauke Henningsen, Elektroingenieur
„Theoretisch könnten wir den Strom aus den Windparks auch in ein naheliegendes Umspannwerk der Netzbetreiber einspeisen“, erklärt Henningsen. „Leider verfügen die kaum noch über freie Kapazitäten. Das kann dazu führen, dass wir in Spitzenzeiten die Leistung unserer Anlagen herunterdrosseln müssen.“ Das Thema Stromeinspeisung wird künftig also immer relevanter. So gehen 90 Prozent der Repowering-Projekte ins Hochspannungsnetz. Prokon wird daher verstärkt eigene Umspannwerke bauen müssen – und damit ganz nebenbei einen Teil zum dringend notwendigen Netzausbau beitragen.
In der Praxis bedeutet das aber auch mehr Bürokratie bei der Projektplanung, denn die Genehmigungsverfahren für den Bau eines Umspannwerks sind aufwendiger als für die Errichtung einer einfachen Übergabestation. Als größere Herausforderung gilt jedoch die Finanzplanung. So sind die Kosten für den Bau eines Umspannwerks zuletzt auf bis zu fünf Millionen Euro gestiegen. Vor drei Jahren waren es noch 1,5–2 Millionen Euro. „Das hat zur Folge, dass wir bei Ausschreibungen anders kalkulieren müssen“, sagt Henningsen. Die Gründe für die Preissteigerung sind vielfältig: gestiegene Nachfrage durch den intensiven Netzausbau, höhere Rohstoffpreise sowie Lieferkettenengpässe nach der Zerstörung eines Stahlwerks in der Ukraine.
Schon jetzt betreibt Prokon zehn eigene Umspannwerke. Geplant und errichtet werden die technisch komplexen Anlagen vom sächsischen Unternehmen WT Energiesysteme – auch die in Friedersdorf, deren Bau im Juli starten soll. Ein weiteres Umspannwerk entsteht zeitgleich in Nadrensee, wo Prokon den Zuschlag für ein Repowering-Projekt mit 28 MW erhalten hat. „An beiden Standorten werden luftisolierte Schaltanlagen verbaut, die ohne das klimaschädliche Gas SF6 auskommen“, betont Prokon-Experte Henningsen.
Für eine optimale Energieausbeute wird Prokon neben Umspannwerken auch auf Speichertechnik setzen. Erstmals nutzt Prokon ein solches Strom-Terminal im neuen Solarpark Walshausen (Foto). Speicherlösungen für Windparks sind jedoch technisch anspruchsvoller.In der Region plant Prokon außerdem einen Stand-Alone-Batteriespeicher, der ebenfalls an das Umspannwerk angeschlossen wird. Bislang sucht man noch nach einem passenden Hersteller, mit dem die Energiegenossenschaft das innovative Projekt angehen kann.
Prokon wird hier Pionierarbeit leisten und Praxiserfahrungen im Umgang mit den Batteriespeichern sammeln. Speicher sind notwendig, um die WEA auch in Spitzenzeiten voll auslasten zu können. Überschüssiger Strom lädt dann die Batteriemodule auf – und wird zu einem späteren Zeitpunkt ins Stromnetzt eingespeist. Schon jetzt ist klar: „Zur Optimierung des Netzanschlusspunktes müssen wir Speichersysteme künftig mitdenken“, sagt Henningsen.